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Vitamin D ist am Schmerzempfinden und an der Modulation des Schlaf-Wach-Rhythmus beteiligt, legen verschiedene Studien nahe. Ein gesteigertes Schmerzempfinden kann vom Immunsystem über entzündungsfördernde Prozesse, aber auch durch Schlafentzug hervorgerufen werden. Das Autorenteam um De Oliviera vermutet, dass die Wirkung von Vitamin D auf den Schlaf-Wach-Zyklus und das Schmerzgeschehen auf einer gemeinsamen Nutzung einiger Neurotransmitter in ähnlichen Stoffwechselwegen beruhen könnte.
Einfluss von Vitamin D auf Schlaf und Schmerz
In dem brasilianischen Review-Beitrag von De Oliviera et al. (1) werden Studien ausgewertet, in denen der Einfluss von Vitamin D auf Schlafstörungen und Schmerzen untersucht wurde. Im Hinblick auf die Mechanismen der Schmerzsensitivität spielen die 25-Hydroxy-Vitamin-D-Serumkonzentrationen bei neurologischen und neuromuskulären Erkrankungen, die zu einem gesteigerten Schmerzempfinden führen können, eine Rolle. (2, 3) Durch seine stimulierende Wirkung auf antiinflammatorische Prozesse kann Vitamin D die Schmerzsensitivität bei einer Reihe von Krankheiten abmildern. (4, 5) Auch an den regulatorischen Mechanismen im Schlaf-Wach-Zyklus scheint Vitamin D beteiligt zu sein, da niedrige Vitamin D-Konzentrationen mit Schlafstörungen assoziiert sind. (6, 7)
Vitamin D und Schlaf
Zahlreiche Studien belegen die Einflussnahme von Vitamin D auf Schlafqualität und -quantität. So waren in der Studie von McCarty et al. niedrige Vitamin D-Werte (< 20 ng/ml) bei der afro-amerikanischen Studienpopulation mit einer exzessiven Tagesmüdigkeit verbunden. (8) In der Studie von Massa et al. mit männlichen Studienteilnehmern waren Vitamin D-Werte < 30 ng/ml mit einer höheren Wahrscheinlichkeit einer Schlafdauer von weniger als fünf Stunden assoziiert. (9) Adipöse Kinder mit obstruktiver Schlafapnoe (OSA) hatten niedrigere Vitamin D-Serumspiegel als adipöse Kinder ohne diese Schlafstörung. (10) In einer prospektiven, doppelblinden Studie wurden 42 Patienten zusätzlich zu einer Urtikaria-Therapie entweder mit 4.000 IE oder 600 IE Vitamin D pro Tag zwölf Wochen lang behandelt. Neben der Symptomlinderung wurde nur bei den Studienteilnehmern, die 4.000 IE pro Tag erhalten hatten, eine Verbesserung der Schlafqualität festgestellt. (11) Das Restless-Legs-Syndrom (RLS), das mit Schlafstörungen und Tagesmüdigkeit einhergeht, wurde bei Vitamin D-Serumwerten unter 20 ng/ml häufiger diagnostiziert als bei Werten über 20 ng/ml. (12) Die Verabreichung von 28.000 IE Vitamin D pro Woche oder 200.000 IE pro Monat hob die Vitamin D-Serum-Spiegel von durchschnittlich 21,7 nmol/l (= 8,8 ng/ml) auf durchschnittlich 61,8 nmol/l (= 24,8 ng/ml) an und führte zu einer Verbesserung der RLS-Symptomatik. (13) RLS wird mit einer Dysfunktion der dopaminergen Neurotransmission in Verbindung gebracht. Einer der Wirkorte von Vitamin D sind dopaminerge Nervenzellen. Das Interesse an Vitamin D als Modulator von Schlaf basiert auf der Erkenntnis, dass die Produktion der aktiven Form von Vitamin D, Calcitriol, in Gehirnregionen möglich ist, die auch den Schlaf-Wach-Zyklus regulieren. Das jedenfalls legt das Vorhandensein von Vitamin D-Rezeptoren (VDR) im Hypothalamus und in der Substantia nigra nahe. (14) Vitamin D und Schmerz Das Immunsystem ist maßgeblich am Schmerzgeschehen beteiligt. Durch Aktivierung von Makrophagen im geschädigten peripheren Gewebe kommt es zur Freisetzung von entzündungsfördernden Zytokinen wie dem Tumornekrosefaktor TNF-α, Interleukin-1β, neuronalem Wachstumsfaktor (NGF), Stickstoffmonoxid (NO) und Prostaglandin E2 (PGE2). (15, 16) Außerdem wird die Schmerzsensitivität durch eine lokale Anreicherung von Stickstoffmonoxid beeinflusst. (17) Vitamin D beeinflusst Th2-Zellen, indem es die Synthese von Interleukin-4 (IL-4) und vom Wachstumsfaktor TGF-β steigert. (18) Von TGF-β ist bekannt, dass er die Expression von entzündungsfördernden Zytokinen wie Interferon-γ (IFN- γ), IL-1 und RNF-α reduziert. Vitamin D schränkt auch die Wirkung von PGE2 durch Hemmung der Cyclooxygenase-2 (COX-2) ein. (19) Und schließlich verhindert es die Synthese von iNOS (inducible nitric oxide synthase), einem Enzym, das bei Stimulation viel Stickstoffmonoxid produziert. (20) Diese regulatorischen Stoffwechselwege sind im Prozess der Schmerzsensibilisierung involviert und Vitamin D scheint wichtige Moleküle in diesem Prozess zu beeinflussen, was eine potenziell neuromodulatorische Wirkung vermuten lässt. In einer 2016 veröffentlichten Metaanalyse konnte in einer Untergruppenanalyse gezeigt werden, dass eine Vitamin D -Substitution mit unterschiedlichen Dosierungen (von 500 IE bis 4.000 IE täglich, oder eine wöchentliche Gabe von 50.000 IE bis hin zu einer Einmalgabe von 150.000 IE) über einen Zeitraum von durchschnittlich drei Monaten Myalgie-, Arthritis- und muskuloskelettale Schmerzen reduzieren konnte. (21) Studien, die eine inverse Korrelation zwischen Vitamin D-Serumwerten und Schmerzen bei Patienten mit rheumatischen Erkrankungen nachgewiesen haben (22, 23), lassen aufgrund des autoimmunen Charakters der Erkrankungen die Hypothese zu, dass die Schmerzlinderung durch die Wirkung von Vitamin D auf das Immunsystem erfolgt. Schlaf und Schmerz Schmerzen verändern die Schlafarchitektur. Schlafentzug bzw. eine verminderte Schlafqualität können wiederum ein gesteigertes Schmerzempfinden nach sich ziehen. Umgekehrt kann ein erholsamer Schlaf die Schmerzwahrnehmung abmildern. Vitamin D kann sowohl Schmerzen als auch Schlaf positiv beeinflussen, wie eine Studie mit Veteranen, die an chronischen Schmerzen litten, zeigte: So verbesserte die Gabe von 1.200 IE Vitamin D täglich bei Vitamin D-Serumspiegeln zwischen 20 und 29 ng/ml und die Gabe von 50.000 IE wöchentlich bei Werten < 20 ng/ml nicht nur das Schmerzempfinden der Veteranen, sondern auch deren Schlaf. (24) Das Team um De Oliviera empfiehlt, bei der Anamnese von Schlafstörungen und Schmerzerkrankungen an die Korrelation von Schlaf, Schmerz und Vitamin D zu denken. Quellen 1.De Oliviera DL, Hirotsu C, Tufik S und Levy Anderson M. The interfaces between vitamin D, sleep and pain. 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